Yoga in Afrika…?! / Yoga in Africa...!?

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Yogaunterricht in Kibera mit Dickens / Outreach Class with Dickens in Kibera
Yogaunterricht in Kibera mit Dickens / Outreach Class with Dickens in Kibera

„Atme tief und lang ein…und atme... vollständig... wieder aus“ 

Die Ruhe und Energie im Saal sind elektrisierend. Um die 300 Teilnehmer liegen auf ihren geöffneten Knien, die großen Zehen einander berührend, die Arme nach vorn ausgestreckt und die Handflächen und die Stirn auf den Boden pressend auf ihren Matten - in der sogenannten Child’s Pose. Ich befinde mich inmitten der zweistündigen Samstagsklasse im Shine Center von Nairobi. Es ist die legendäre Community Class. 

Es wird gepfiffen, geschnauft, getanzt, Musik eingespielt und vor allem gelacht. Nicht zuletzt auch, weil hier und da schon mal ein durch den Saal hallender Laut einem Hinterteil entfleucht. Das ist Power Yoga. Auf kenianisch. Und es ist auch das Africa Yoga Project, bei dem ich mich hier freiwillig im Bereich öffentliche Zuschüsse und Überwachen und Auswerten von Projekten einbringe. 

120 Minuten Power Yoga gehen ganz schön ans Eingemachte. Selbst als geübter Yogi, ist es immer noch eine unfassbar anstrengende Angelegenheit. Mir läuft jedes Mal der Schweiß über die Stirn. Oder besser gesagt, über meinen ganzen Körper. An Stellen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich dort schwitzen kann. Ohne Handtuch geht hier gar nichts. Bei der Masse an Menschen im Studio ist es umso heißer. Bikram* Yoga quasi inklusive. Der eine oder andere rutscht da schon mal von der Matte. Aber das Gefühl nach dem Ende der Stunde(n) ist unglaublich erfüllend. Ich bin erleichtert, erschöpft, geerdet und voller neuer Energie zugleich. 

Ungefähr zwei Mal im Monat begleite ich einen der Yoga Lehrer zu ihren kostenlosen Gemeindeklassen. Der Yoga Unterricht findet in eben den Gemeinden statt, in denen die Yoga Trainer selbst leben, also in den Ghettos oder in den Elendsvierteln von Nairobi. Das größte Slum von Nairobi und damit auch das größte von ganz Afrika ist Kibera. Ein Viertel von Kibera namens Soweto East beherbergt nach Angaben von UN Habitat auf 2 Hektar 71.000 Menschen. Diesen 71.000 Menschen stehen 15 Bäder und 100 Toiletten zur Verfügung. Im Schnitt wohnen 6-7 Familienmitglieder in einem 3x3 Meter großen Zimmer. Ohne Fenster. Ohne Strom. Ohne Toilette. Dementsprechend ist die Verschmutzung durch Abfall, Abwasser und Fäkalien und folglich die Krankheitsrate enorm hoch. 

Matatus fahren dort die noch einigermaßen befestigten Hauptstraßen an. Um jedoch zur Yogastunde zu gelangen, müssen wir noch einen 20-minütigen Fußmarsch einlegen. Enge, sandige Gassen und schmale Straßen übersät mit Müll und tiefen Schlaglöchern führen uns zu einer Schule. Hier leitet der frisch gebackene Yoga Lehrer Dickens seine Künstlergruppe durch die Yogastunde. Bevor jedoch neue Stücke und Choreographien einstudiert werden, praktizieren alle Mitglieder Yoga. Trainiert wird auf dem harten Fliesenboden. Yogamatten bekommen die neuen Yoga Lehrer erst nach ihrer 3-monatigen Probezeit. Ich mache ein paar Posen mit und merke schnell, dass die Bedingungen hier härter sind - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Gruppenmitglieder sind trotzdem hoch motiviert und machen alle vorbildlich mit. Nach der Stunde erzählen uns die Künstler, wie Yoga sie verändert hat: “Yoga hilft mir, Stress und Ärger abzubauen. Ich fühle mich friedlicher, ruhiger. Ich tanke neue Kraft und Energie. Und sehe positiver und mit mehr Hoffnung in die Zukunft.“ 

 

Ein anderes Mal bin ich mit Yoga Lehrerin Millie im Viertel Kasarani im Total Rehab Centre For Disabled Children (Reha-Zentrum für behinderte Kinder). Mit ihrer Zusatzausbildung für Menschen mit speziellen Bedürfnissen massiert und streckt Millie die Kleinen, übt mit ihnen laufen und schenkt ihnen darüberhinaus vor allem bedingungslose Liebe. 32 Kinder mit verschiedenen körperlichen und/oder geistigen Behinderungen leben hier auf engstem Raum. Um genau zu sein, in 3 Räumen. Viele von ihnen wurden von ihren Familien verstoßen, nachdem sie oftmals missbraucht und von ihren Angehörigen versteckt und vernachlässigt wurden. Das Personal und die finanziellen Mittel sind mehr als knapp, aber mit ihrem freiwilligen Einsatz bringt Millie zumindest unendlich viel Freude und Liebe zu den Kleinen. Und dies bewundere ich zutiefst.

 

*Bikram Yoga = Yoga bei 38-40 Grad C Raumtemperatur 

Dickens in Kibera assisting his students
Dickens in Kibera assisting his students

"Take a long…deep breathe in… and… breathe out“

The peace and energy in the hall are electrifying. About 300 participants lie on their opened knees, with their big toes touching each other, their arms outstretched and their palms and foreheads pressed to the floor on their mats - in the so-called child's pose. I am in the middle of the two-hour Saturday class in the Shine Center of Nairobi. It is the legendary Community Class.

Whistling, groaning, snorting, dancing, playing music and above all,  laughing. Not least also because here and there escapes a sound from the backside echoing through the hall. That's Power Yoga. In Kenyan style. And it is also the Africa Yoga Project, where I volunteer in the field of  grants and monitoring and evaluation.

120 minutes of Power Yoga go pretty much to the bone. Even as an experienced yogi, it is still an incredibly exhausting affair. The sweat runs down my forehead every time. Or rather, over my whole body. In places that I did not know I could sweat there. Without a towel nothing works here. With the mass of people in the studio, it is even hotter. Bikram * Yoga is quasi inclusive. Some students might even slip from the mat. But the feeling after the end of the hour(s) is indescribably fulfilling. I am relieved, exhausted, grounded and full of new energy at the same time.

About twice a month, I accompany one of the yoga teachers to their free outreach classes. Yoga classes take place in the same communities where the yoga teachers live, which is usually in the ghettos or slums of Nairobi. The largest slum of Nairobi, and thus the largest of all Africa, is Kibera. A quarter of Kibera called Soweto East is a home to 71,000 people on 2 hectares, according to UN Habitat. These 71,000 people have access to 15 bathrooms and 100 toilets. On average, 6 to 7 family members live in a 3x3 meter room. No windows. No electricity. No toilet. Accordingly, the pollution from waste, sewage and feces, and consequently the disease rate, is enormously high.

Matatus drive through the more or less fortified main roads. However, to reach to the yoga class, we still have to take a 20-minute walk. Narrow, sandy lanes and narrow streets dotted with garbage and deep potholes lead us to a school. Here, the newly trained yoga teacher Dickens leads his group of artists through the yoga class. Though before new plays and choreographies are rehearsed, all members practice yoga. Training takes place on the hard tiled floor. Yoga mats are given to the new yoga teachers only after their 3-month probationary period. I do a few poses and realize quickly that the conditions here are tougher - in the truest sense of the word. Nevertheless, the group members are highly motivated and practice exemplary. After class, the artists tell us how yoga has changed them: "Yoga helps me to reduce stress and anger. I feel more peaceful, much more calm. I recharge my batteries and energy. And I look more positively and with more hope into the future. "

 

Another time I am with yoga teacher Millie in the Total Rehab Center for Disabled Children in the Kasarani district. With her additional training for people with special needs, Millie stretches and massages the little ones, practices walking with them and above all, she gives them unconditional love. 32 children with various physical and / or mental disabilities live here in the smallest of spaces. To be precise, in three rooms. Many of them were abandoned by their families after being abused and hidden and neglected by their relatives. The staff and financial resources are more than tight, but with her voluntary commitment Millie brings at least endless joy and love for the little ones. And for that, I admire her deeply.

 

* Bikram Yoga = Yoga at 38-40 degrees C room temperature

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Kommentare: 1
  • #1

    Barbara (Mittwoch, 06 Dezember 2017 16:04)

    Immer wieder spannend, wie sich Menschen mit dem, was da ist, arrangieren und daraus Lebendigkeit und geballte Power machen.
    Das nenne ich mal ein "Ja!" zum Leben. Und Du mitten drin. Wunderbar.
    Alles Liebe!
    Barbara